Der ZDF-Fernsehrat – ein Spiegel der Gesellschaft?
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Leipzig, 6. Mai 2015 – Auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland wurde heute über die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum ZDF-Staatsvertrag gesprochen. Auf dem Podium lieferten sich Henny Engels (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland), Gabriele Schade (Vorsitzende MDR-Rundfunkrat), Oliver Passek (ZDF-Fernsehrat) und der Staatsrechtler Jochen Rozek (Universität Leipzig) unter Leitung der Medienjournalistin Ulrike Simon eine lebhafte Diskussion.
Ausgangspunkt der Debatte war die Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes, dass der ZDF-Staatsvertrag in Teilen verfassungswidrig sei, und dessen Forderungen, den Einfluss der Politik zu begrenzen und gleichzeitig die Vielfalt der Gesellschaft in der Besetzung der Gremien abzubilden. Die Diskussion drehte sich darum, ob es gelungen sei, den politischen Einfluss zu begrenzen und die Gesellschaft abzubilden.
„Wir dachten, die Politik hat den Schuss gehört“, kritisierte Henny Engels, „hat sie aber nicht“. Sie beklagte, dass die Vielfalt der heutigen Gesellschaft im Fernsehrat keinesfalls ihre Entsprechung finden würde, dass etwa der Bund der Vertriebenen oder die Vereinigung der Opfer des Stalinismus einen sicheren Platz haben, während große Gruppierungen wie Migranten, Muslime, LSBTI-Gruppen oder auch Frauen, Familien und Senioren, darauf angewiesen sind, dass eines der Bundesländer einen entsprechenden Vertreter entsendet. Diese Kritik wurde von allen Diskutanten grundsätzlich geteilt. Gabriele Schade wies allerdings darauf hin, dass sich die Gremienmitglieder generell als Vertreter der Allgemeinheit sehen, die auch andere Interessen als nur die eigenen im Blick hätten.
Oliver Passek kritisierte die Neufassung des Staatsvertrages auch in Bezug auf die Eindämmung des politischen Einflusses als schlecht gemacht. Er prophezeite, dass viele Länder weiterhin die weisungsgebundenen Chefs der Staatskanzleien in den Fernsehrat entsenden würden, gleichzeitig aber unabhängige Parteienvertreter der Drittelregelung zum Opfer fallen würden. Zudem seien die Amtskirchen überproportional vertreten. „Das ist so unausgegoren, das kann man keinem Landtag zur Verabschiedung vorlegen“, so Passek. Genau dies geschehe nun aber. Passek bedauerte, dass bei der Neufassung weder eine echte öffentliche Debatte stattgefunden habe, noch die Länderparlamente ein echtes Mitspracherecht gehabt hätten.
Auch der Einfluss des Urteils auf die ARD-Anstalten wurde besprochen. So betonte Rozek, dass damit auch die gegenwärtige Zusammensetzung des MDR-Rundfunkrates, in dem 15 von 43 Mitgliedern – und damit mehr als ein Drittel – staatliche Vertreter sind, verfassungswidrig sei. Die Politik müsse diesen Zustand beenden, sonst könne jede Entscheidung des Gremiums angegriffen werden. Gabriele Schade sah in dem Urteil zunächst einmal eine Stärkung der Gremien, bedauerte es aber, dass sich die mitteldeutsche Politik nicht auf eine Neuregelung der Besetzung des MDR-Rundfunkrates hätte einigen können, bevor dieser im Herbst neu gewählt wird.
Vollkommen einig waren sich die Anwesenden, dass der neue Staatsvertrag trotz aller gravierenden Mängel die Länderparlamente höchstwahrscheinlich passieren werde. Diese seien in einer „Ratifizierungsposition“, sagte Rozek. Der Zeitdruck, den das Verfassungsgericht aufgebaut habe, würde ein Übriges tun.