Dossier zu Open Source mit Zitat von mir

Offen für Neues: Open Source jenseits von Software-Communities

Stuttgart | 05.08.2014 | Open Source spielt bei der Weiterentwicklung des IT-Standortes Baden-Württemberg eine zentrale Rolle Transparenz und Offenheit stehen bei Open Source im Vordergrund. (Bild: Samuel G. / pixelio.de)

Open Source war lange Zeit ausschließlich ein Thema für Software-Entwickler. „Open Source“, das heißt zunächst einmal nichts anderes als „offene Quelle“ oder „offener Quellcode“ – ein Begriff, der in seinen Anfängen tatsächlich aus der Softwareentwicklung stammt. Bis in die frühen 1970er Jahre war der Quellcode von Softwareprogrammen frei zugänglich. Wenig später wurden dann die meisten Anwendungen proprietär, das heißt man muss zunächst Lizenzen erwerben, um sie nutzen zu können. Dagegen formierte sich Widerstand unter den Software-Entwicklern und die Anhänger von quelloffener Software gründeten die „Free Software Foundation“.
In den späten 1990er Jahren wurde dann der Begriff „Open Source“ in Abgrenzung zu „Freier Software“ eingeführt. Gleichzeitig schuf man sogenannte Open-Source-Lizenzen, die zwar im Kern den Grundsätzen der „Free Software Foundation“ entsprachen, aber eine bessere Vermarktung von quelloffener Software ermöglichen sollten. Tatsächlich nahm seit dieser Zeit die kommerzielle Nutzung von Open-Source-Software (OSS) rasant an Fahrt auf. Open Source ist verbreiteter, als man denkt. (Logos: Linux, Android und Mozilla Firefox)

Open-Source-Software: Erfolgreich trotz Imageproblem

„Technisch gesehen hat Open Source schon seit Langem eine hohe Bedeutung“, sagt Sven Meintel, Netzwerkmanager des Open Source Beratungszentrums bei der MFG in Stuttgart. Vor allem in den Bereichen Server-Betriebssysteme, Web- und E-Mail-Server, Datenbanken und Middleware spielt OSS eine wichtige Rolle. „In der öffentlichen Wahrnehmung war das Thema dagegen lange Zeit nicht sonderlich präsent“, so Meintel. Apache, Firefox und Android sind zwar fast jedem Computernutzer ein Begriff – doch längst nicht jeder weiß, dass es sich dabei um Open-Source-Technologien handelt. Und so verwundert es nicht, dass sich auch heute noch zahlreiche Mythen um das Thema ranken. „Open-Source-Software wird nach wie vor häufig mit Community-Software gleichgesetzt. Dass es auch professionelle Firmen gibt, die erfolgreich auf Open-Source-Technologien setzen, ist vielen nicht bewusst“, erzählt Meintel.
Zugleich hat das Prinzip Open Source in den letzten Jahren viele begeisterte Anhänger jenseits der Software-Communities gefunden. Projekte wie die freie Enzyklopädie Wikipedia berufen sich auf dieselben Grundsätze wie die Open-Source-Bewegung: Offenheit, Transparenz und gemeinschaftliche Zusammenarbeit. Schließlich lässt sich nicht nur Quellcode offenlegen, sondern auch Wissen und Ideen. „Open Source wird immer mehr zum Querschnittsthema, das auch auf andere Branchen und Gesellschaftsbereiche ausstrahlt“, sagt Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance, und nennt als Beispiel den Open-Innovation-Trend in großen Teilen der Industrie. Experte für Netzpolitik mit eigenem Blog: Till Westermayer (Bild: privat)

München und Schwäbisch Hall sind die Open-Source-Vorzeigeprojekte

Doch das Vorhandensein solcher Ansätze erklärt noch nicht, warum das Prinzip „Open Source“ gerade in den letzten Jahren derartig boomt. Einer der Gründe ist ganz praktischer Natur: „Es funktioniert“, sagt Netzpolitikexperte Till Westermayer. Leuchtturmprojekte wie die Linux-Einführung in München und Schwäbisch Hall hätten gezeigt, dass Open Source kein Flickwerk von vielen, sondern eine ernst zu nehmende Alternative zu proprietären IT-Systemen ist. „Gerade im Bereich Qualitätssicherung sind Open-Source-Produkte den klassischen Softwarelösungen häufig überlegen“, so Westermayer. Und in der IT-Branche wird Open-Source-Software schon lange als sichere Alternative zu proprietärer Software gehandelt – auch wenn der Heartbleed-Zwischenfall gezeigt hat, dass es 100-prozentige Sicherheit nicht gibt.
Eine wichtige Rolle spielen auch die neuen technischen Möglichkeiten. Das Web 2.0 hat ein grundlegendes Open-Source-Prinzip – die gemeinschaftliche Zusammenarbeit – deutlich erleichtert. Projekte wie Wikipedia, das Open-Data-Portal des Landes Baden-Württemberg oder die Open-Access-Repositorien der Hochschulen wären ohne das Internet und eine umfassende Vernetzung gar nicht denkbar. Denn Teilhabe funktioniert nur, wenn alle, die sich einbringen wollen, auch einbringen können.

Politik will Open Source  stärker fördern

Und auch die Politik hat Anteil an der Förderung des Open-Source-Gedankens. „Auf Bundesebene ist die ‚Digitale Agenda‘ ein Bekenntnis zum Open-Source-Prinzip“, sagt Sven Meintel. „Bei Beschaffungen der Bundesverwaltung bauen wir praktische Hemmnisse für Open-Source-Software (OSS) mit dem Ziel der Chancengleichheit weiter ab“, heißt es im aktuellen Entwurf des Papiers. Auf Landesebene bildet das Thema Open Source – neben Cloud Computing und Green IT – einen der Schwerpunkte bei der Weiterentwicklung des IKT-Standortes Baden-Württemberg.

Auch die IKT-Allianz Forward IT, die sich im Rahmen des ersten baden-württembergischen IKT-Gipfels im September 2013 formierte, hat das Thema Open Source in ihr Programm aufgenommen. Zusätzlich ist mit der OSB Alliance der zentrale Ansprechpartner für OSS in Deutschland in die Forward IT eingebunden. Experten erhoffen sich einen zusätzlichen Schub für das Thema Open Source, wenn die vom Kabinett beschlossene IT-Neuordnung in Kraft tritt. Sie sieht vor, dass eine neue zentrale Landesbehörde für den IT-Betrieb in Baden-Württemberg geschaffen wird – mit einem CIO an der Spitze.

Zentraler IT-Landesbetrieb könnte das Thema Open Source beflügeln

„Bisher gibt es keine einheitliche Open-Source-Strategie für Baden-Württemberg. Jede Behörde und jedes Ministerium verfügt über unterschiedliche Komponenten“, erklärt Oliver Passek, Referent für Film Medien beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. „Das Thema Open Source spielt vor allem bei Einzelprojekten eine Rolle, wie zum Beispiel beim Projekt Bildungscloud von OSB Alliance und Kultusministerium.“ Auf kommunaler Ebene wird immer wieder das Projekt in Schwäbisch Hall als vorbildhaft gelobt. Auch Freiburg hat einen Vorstoß in Sachen Open Source unternommen, ist am Ende aber wieder zur alten Lösung zurückgekehrt. „Wenn der zentrale Landesbetrieb und mit ihm eine gewisse Vereinheitlichung kommt, wird man vielleicht auch das Thema Open Source in einem größeren Kontext angehen“, glaubt Till Westermayer.
Ein gewisses Wohlwollen gegenüber dem Thema Open Source in Politik und Verwaltung ist jedenfalls spürbar. „Wir freuen uns, dass vieles von dem, was wir sagen, sich in den politischen Programmen wiederfindet“, sagt Peter Ganten. Zugleich wünscht er sich ein noch klareres Bekenntnis zu Open Source. „Wir fordern, dass Open-Source-Software in öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt wird, wenn zwei Angebote funktional vergleichbar sind“, so der Experte. Denn der Staat sei gehalten, nicht das preiswerteste, sondern das wirtschaftlichste Angebot auszuwählen. „Digitale Gesellschaft“: die neue Feature-Reihe der MFG Innovationsagentur (Bild: MFG)

Eine professionelle Alternative zu proprietären Produkten

Nun ist OSS zwar häufig günstiger als lizenzpflichtige Programme – gänzlich kostenlos ist sie dennoch nicht zu haben. „Die Umstellung, Beratung, Updates und Anpassungen – all das ist mit Kosten verbunden“, sagt Till Westermayer. Und auch die Lizenzierung von OSS ist ein Punkt, den man bei der Evaluierung nicht außer Acht lassen darf. „Im Bereich Open Source existieren eine Menge Lizenzen, die teilweise einen großen Einfluss auf das Businessmodell oder die spätere Verwendung beziehungsweise den Umgang mit der Software haben – insbesondere, wenn man die Software kommerziell vertreiben möchte“, erklärt Sven Meintel.
Dennoch wiegen die Vorteile von Open-Source-Software aus Sicht vieler Fachleute die Nachteile bei Weitem auf. Einig sind die Experten auch darin, dass Open Source sich als professionelle Alternative zu proprietären Softwarelösungen zunehmend durchsetzen wird. Aber auch jenseits der Software-Communities wird das Thema an Bedeutung gewinnen. Den Grund nennt Peter Ganten: „Weil viele Industriezweige erkennen, was die Open-Source-Gemeinde schon vor fünfzehn Jahren erkannt hat: dass sich Wertschöpfung nicht nur aus Produkten, sondern auch aus Service und Kundenbeziehungen generieren lässt.“

Autorin: Michaela Kürschner

Weiterführende Links:

Open Source Beratungszentrum Baden-Württemberg Open Source Business Alliance

Open-Data-Portal des Landes Baden-Württemberg Das Münchner Projekt LiMux Open-Source-Projekt in Schwäbisch Hall

Digitale Agenda Forward IT Wikipedia GNU-Projekt