Die TAGE DER REGIE 2017
Ein Rückblick
Anfang November war es wieder so weit: An der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) München fanden wiederum als Rahmen der Verleihung der deutschen Regiepreise METROPOLIS die TAGE DER REGIE des BVR statt. In zahlreichen Workshops konnten sich BVR-Mitglieder wie auch Branchenkollegen und allgemein Film- und TV-Interessierte am 4. und 5. November wieder zu verschiedenen Themenfeldern des professionellen Film- und TV-Schaffens austauschen. Das Spektrum reichte von eher technisch konnotierten Foren bis zu aktuellen Urheber- und vertragsrechtlichen Entwicklungen, speziell bei den öffentlich-rechtlichen Sendern und dem Kinofilm.
Magie des Films
So diskutierten Kameraleute, Regisseure/innen und Produzenten/innen über die Magie von analogem Film und dessen momentanem Potential im Panel „Real Film Makes a Difference“. Kameramann Tom Fährmann brachte das Ergebnis des Panels auf den Punkt: Er erinnerte daran, dass es im Film letztlich darum gehe, Geschichten zu erzählen und Emotionen zu erzeugen, und sich jeder dafür das Material suchen solle, womit er/sie dies am besten umsetzen könne. Ein Plädoyer also für eine persönliche Handschrift, in der sich eine Weltsicht ausdrückt.
Europäische und nationale Perspektiven
Peter Carpentier und Nici Mommsen präsentierten eine europaweite Studie der FERA über Vergütung von Urhebern/Urheberinnen, die in Film-, Fernseh- und Onlineauswertungen vergleicht. Die Ergebnisse der Studie, die gerade erst gestartet ist, sollen für die bevorstehenden europäischen Gesetzespakete in Sachen Kreativwirtschaft belastbares Material liefern.
Der Geschäftsführer des BVR, Dr. Jürgen Kasten, und Diplom-Medienwirt Oliver Passek, beleuchteten in ihrem Workshop zur Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags die aktuelle deutsche Gesetzeslage bezüglich des Rahmens für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Kernthemen waren die von den Bundesländern geplante Ausweitung des Telemedienauftrages und die damit verbundene erweiterte Mediathekennutzung, die aufkommensneutral bewältigt werden soll. Wichtigster Meilenstein wird eine Art Strukturreform sein: Verwaltung, Organisation und vor allem Art und Umfang eines zeitgemäßen Auftrags für ARD und ZDF stehen zur Debatte. Wie ernst und wie umfangreich die Medienpolitiker der Länder diesen Reformansatz aufnehmen, ist noch nicht abzusehen. (Sieht man von dem absurden Vorschlag des Sachsenanhaltinischen Staatskanzleichefs, Dr. Rainer Robra, ab, der sich für eine Zusammenlegung von ARD und ZDF ausgesprochen hat.)
„Ohne Krimi …“
Im Workshop „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ diskutierten BVR-Geschäftsführer Dr. Jürgen Kasten mit Stephan Wagner, Peter Lilienthal und Alexander Adolph über den Kriminalfilm als erzählerisches Leitbild deutscher TV-Unterhaltung.
Berufsgruppe Synchronregie
Nach einem kurzen historischen Abriss über mediale Entwicklungsbedingungen der Synchronregie gingen Stefan Ludwig (Vorstand Synchron-Regie im BVR) und Peter Minges vor allem auf die von zunehmendem Zeitdruck geprägten Arbeitsbedingungen in der aktuellen Synchronregie ein. Befeuert wird die gute Beschäftigungslage aktuell überwiegend von Streaming-Diensten, die einen wahren Serienboom ausgelöst haben, indem sie das deutsche Publikum mit langlaufenden US-Serien zu binden versuchen. Die müssen oft sehr schnell und gleichermaßen zündend wie kompetent ins Deutsche übersetzt werden.
BVR und DEFKOM
Unter dem Motto „Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen“ tauschte sich der BVR mit der Deutschen Filmkomponisten-Union über den komplexen Prozess der Verhandlung und Durchsetzung Gemeinsamer Vergütungsregelungen aus.
Gender / Diversität
Der 4. Regie-Diversitätsbericht des BVR wurde der Öffentlichkeit vorgestellt und gleichzeitig in einer hochkarätigen Damenrunde mit männlicher Unterstützung angeregt diskutiert. Margrét Rún, Projektleiterin und BVR-Mitglied, hatte neben dem Studio-Hamburg-Chef Michael Lehmann die Produzentin Uschi Reich, dazu Frau Dr. Skadi Loist von der Uni Rostock, die Regisseurin Julia von Heinz und die Leiterin des Kleinen Fernsehspiels im ZDF, Claudia Tronnier eingeladen. Der neueste Diversitätsbericht ist auch diesmal wieder an alle deutschen Produzenten und Sendeanstalten verschickt. (Zu den Ergebnissen des Diversitätsberichts 2016 siehe S. 25)
Berufsgruppe Dok-Regie
Beim Workshop „Raus aus der Preisfalle“ ging es um einen vertiefenden, anwendungsbezogenen Einblick in das Selbstmanagement und die betriebswirtschaftliche Seite der Arbeit von Dok-Regisseuren/innen. BVR-Vorstands-Mitglied Katarina Schickling erläuterte zudem kompetent und detailreich die ZDF-GVR.
Berufsgruppe Regieassistenz
Im Werkstattgespräch über das Tätigkeitsfeld Regieassistenz und 1st AD wurden die unterschiedlichen organisatorischen Systeme und deren Mischformen in deutschen sowie internationalen Filmproduktionen detailliert beleuchtet. (Näheres dazu lesen Sie in dem Artikel von Peter Hartig/Cinearte auf Seite 29)
Die 7. METROPOLIS Preisverleihung
Manch einer will es kaum glauben, aber der Deutsche Regiepreis METROPOLIS wurde 2017 schon zum 7. Mal vergeben!
In sechs Kategorien hatten die BVR-Mitglieder per Online-Voting die beste Regie 2016/17 in den Bereichen Kinofilm, Kinderfilm, Fernsehfilm, TV-Serie, Nachwuchs und Dokumentarfilm zu wählen. Alle Regiepreise sind mit EUR 5.000 dotiert. Die Preisträger/innen des Deutschen Regiepreises METROPOLIS 2017 sind:
Beste Regie Kinofilm: Kai Wessel für „Nebel im August“
Beste Regie Kinder- und Jugendfilm: Ali Samadi Ahadi für “Petterson und Findus – Das schönste Weihnachten überhaupt“
Beste Regie Dokumentarfilm: Kirsi Maria Liimatainen für “Comrade, where are you today?”
Beste Regie Fernsehfilm: Nicole Weegmann für “Ein Teil von uns”
Beste Regie TV-Serie/Serienfolge: Marvin Kren für „4 Blocks“
Beste Regie Nachwuchs: Adrian Goiginger für “Die beste aller Welten”
Die außerdem vergebenen METROPOLIS-Preise für z.B. Beste Schauspielerin (Verena Altenberger), Bester Schauspieler (Tom Schilling), Beste redaktionelle Leistung (Claudia Simionescu), Beste produzentische Leistung (Nils Dünker) und weitere werden von der Nominierungs-Jury in Abstimmung mit dem Vorstand des BVR ausgewählt. Diese Preise sind nicht dotiert, jeder Gewinner erhält aber einen goldenen METROPOLIS-Würfel.
Ehrenpreis der VG Bild-Kunst für ein Lebenswerk an Roland Klick
Der Höhepunkt der Preisverleihung war auch diesmal die Verleihung des Preises für ein herausragendes Lebenswerk. Die mit 20.000 EUR dotierte Auszeichnung wird als Ehrenpreis der VG Bild-Kunst verliehen. In einer grandiosen Laudatio (die wir im Folgenden vollständig dokumentieren) würdigte Doris Dörrie das etwas in Vergessenheit geratene Werk von Roland Klick auf humorvolle und klug differenzierte Weise. Der Rührung und Bewegtheit des Preisträgers konnte sich auch das Publikum nicht entziehen.
Klick gilt als einer der kompromisslosesten Filmemacher des deutschen Films in den letzten 50 Jahren. Zwar bilden acht abendfüllende Spielfilme und mehrere Kurz- und Dokumentarfilme (entstanden zwischen 1968 und 1988) auf den ersten Blick ein eher schmales Werk, aber auf den zweiten Blick wirkt seine künstlerischer Handschrift und Intensität über Generationen hinweg. Die künstlerische Seele kennt keine Kompromisse, so sein Credo. Mit seiner radikalen und unbestechlichen Weltsicht und Produktionsweise ist Roland Klick auch heute noch ein wichtiger ästhetischer Ratgeber, so Dörrie.
Die Filme Roland Klicks wurden in München zum Großteil in neuen Kopien oder DCP gezeigt. Regiekollege Christoph Hochhäusler führte zudem ein gut besuchtes Werkstattgespräch mit dem Preisträger.
Lebenswerk-Preis der Regieassistenz
Im Rahmen der METROPOLIS-Preisverleihung wurde 2017 zum ersten Mal der Jannet Fechner-Preis für ein Lebenswerk im Bereich Regieassistenz vergeben. Sie sind die wichtigsten Mitarbeiter der Regie. Trotzdem gibt es bisher keinerlei Preise für Regieassistenten und Regieassistentinnen. Dies ändert sich nun durch eine neue Auszeichnungsmöglichkeit im Deutschen Regiepreis METROPOLIS. Im Gedenken an Jannet Fechner, die langjährige Regieassistentin des Regisseurs Eberhard Fechner, wurde der Preis nach ihr benannt. Durch eine Zuwendung der Erben Jannet Fechners konnte dieser Preis wie die Regiepreise mit 5.000 EUR ausgestattet werden.
Eine Jury, bestehend aus Ulrich Zwirner (Erbe J. Fechner), Dr. Torsten Musial (Akademie der Künste, Berlin), Stephan Wagner (Regisseur, gf Vorstand BVR), Julia Eplinius (Regieassistentin und Sprecherin der Berufsgruppe im BVR) sowie Dr. Jürgen Kasten (GF BVR), hat den Preis für 2017 einstimmig Helga Asenbaum zuerkannt. Die langjährige Regieassistentin renommierter Regisseure wie Oliver Storz, Rainer Erler, Volker Vogeler, Jo Baier oder Franz Xaver Bogner, begann ihre Karriere 1971 nach einer Ausbildung in allen Abteilungen der Bavaria-Film.
Durch die kurzfristig ermöglichte Anwesenheit ihres ersten Regisseurs und Mentors Johannes Schaaf (Jahrgang 1933) erhielt die Preisverleihung eine sehr persönliche und überaus unterhaltsame Note. Bei seinen Kinofilmen „Trotta“ (1971) und „Traumstadt“(1973), zwei ganz eigenen Spielarten des neuen deutschen Films, begann sie ihre berufliche Karriere. Dem heute etwas in Vergessenheit geratenen Genre des fantastischen bzw. futuristischen Films blieb sie treu mit Rainer Erlers „Operation Ganymed“ (1976) „Plutonium“ (1977) oder der von kaum glaublicher Aktualität geprägten Organhandel-Parabel „Fleisch“ (1979). Über Helmut Dietls erfolgreiche Münchner Serien „Monaco Franze“ und „Kir Royal“ bis zu Joseph Vilsmaiers „Herbstmilch“ und „Rama dama“ (1985-1990) blieb sie bayerischen Themen verbunden. Danach arbeitete sie vor allem mit Oliver Storz, einem der wichtigsten deutschen Fernsehautoren, der konsequenter Weise zur Regie gewechselt war. Mit ihm drehte sie auch ihren und seinen letzter Film „Die Frau, die im Wald verschwand“ (2008).
Helga Asenbaum verfügt über tiefe Kenntnisse in allen Bereichen der Kino – und Fernsehfilmherstellung: Casting, Synchron, Schnittüberwachung sind ihr ebenso wenig fremd wie das Arbeiten mit Kindern und Nebendarstellern. Als Co-Autorin von Drehbüchern und im Besitz eines PPL-A-Pilotenscheins realisierte sie auch eigene Träume.
Im Anschluss an die Verleihungsgala gab es im Foyer der HFF Gelegenheit für die 300 geladenen Gäste, sich intensiver auszutauschen und mit den Preisträgern zu feiern. Einige von ihnen taten dies bis zum Morgengrauen.
OP/JK