Strukturreform bei ARD und ZDF
kommt nur langsam voran
Zwar haben die Bundesländer vor einigen Wochen einen Prozess angestoßen, der die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks optimieren und zu beträchtlichen Kosteneinsparungen führen soll. Doch die ersten Reform- und Sparvorschläge kommen nicht etwa aus der Politik selbst – hier wird momentan eher mit unrealistischen und populistischen Ideen, wie der Zusammenlegung von ARD und ZDF oder der Bündelung sämtlicher Nachrichtenprogramme in einem Sender um sich geworfen – sondern von den Betroffenen selbst, den Anstalten also. Will man hier frühzeitig den Bock zum Gärtner machen? Es ist schon ungewöhnlich, dass die Politik denjenigen, den Sie zu regulieren gedenkt, bittet, dafür den ersten Aufschlag zu machen. Die Ministerpräsidenten haben sich auf Gedeih und Verderb der Devise verschrieben, den Rundfunkbeitrag, komme was wolle, stabil zu halten.
Alles Sparpaket, oder was?
Für die Beitragsperiode ab 2021 wurden die öffentlich-rechtlichen Anstalten von der Rundfunkkommission beauftragt, Sparvorschläge vorzulegen. Münden soll das gesamte Paket – nur ungenau verbunden und zeitlich entkoppelt mit den bereits erläuterten Veränderungen beim Telemedienauftrag – in einen weiteren, den 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der Mitte/Ende 2018 (oder aufgrund der komplexen aber äußerst wichtigen Materie vielleicht auch erst 2019) verabschiedet wird. Während eine mögliche Senderfusion bei ARD und ZDF doch noch weit weg scheint, liegen bei den erwähnten Sparpaketen die ersten konkreten Maßnahmen auf dem Tisch.
Sparvorschläge von ARD und ZDF
Das ZDF schlägt den Ländern Einsparungen von insgesamt rund 270 Millionen Euro für die Zeit 2021 bis 2028 vor. Dabei geht es vornehmlich um Sparmaßnahmen bei Verwaltung und Technik sowie eine engere Zusammenarbeit mit der ARD, aber (noch?) nicht um das Programm selbst. Für dieses hatte die KEF für die laufende Gebührenperiode zusätzliche Mittel genehmigt. Ein erhöhter Produktionsaufwand, der vorwiegend in der Verwaltung stattfindende Stellenabbau, soll laut Sparpaket weitergehen. So sollen beim ZDF bis 2020 rund 560 Stellen abgebaut werden. Ob das ausreicht, die sich erhöhenden Pensionslasten zu kompensieren, ist fraglich.
Bei der ARD klingen die Einsparpläne strukturell ähnlich. Zu den Zielen gehört, Inhalte medienübergreifend zu recherchieren und auch zu produzieren. Crossmedial ist das neue Zauberwort, das allerorten aus den Anstalten klingt. Was jenseits der puren online-Distribution und der Kosteneinsparungen durch Doppelverwendung in Hörfunk und Fernsehen plus online gemeint ist, bleibt programmästhetisch noch im Dunkeln. Dank engerer Kooperationen der Länderanstalten will die ARD Abläufe in Verwaltung, Technik und Produktion weiter standardisieren.
In diesem Zusammenhang soll die in München ansässige Programmdirektion für Das Erste, die von allen Anstalten getragen wird, gestärkt werden. Es geht also um etwas mehr Zentralisierung bei der ansonsten föderal verfassten ARD. Weiteres Ziel ist der Aufbau eines crossmedialen Mediendatensystems und eines zentralen Service-Desks aller Landesrundfunkanstalten. Eine Vereinheitlichung der IT-Systeme und –Programme ist bei der ARD aber auch dringend notwendig. Insgesamt sind die meisten Reform-Projekte sehr IT-lastig und damit eher verwaltungstechnisch.
Das geschätzte Gesamteinsparvolumen bis 2028 liegt bei der ARD bei rund 951 Millionen Euro. Von diesen sollen gut 360 Millionen Euro auf geringere Programmverbreitungskosten durch die Digitalisierung fallen. Von den insgesamt 20 Kooperationsprojekten der ARD sind elf gemeinsam mit dem ZDF und 15 zusammen mit dem Deutschlandradio geplant.
Adé überprivilegierte Altersversorgung?
Zu den geplanten Einsparmaßnahmen zählt auch die Zusammenführung von bislang getrennten Strukturen der drei ARD-Versorgungskassen (Baden-Badener Pensionskasse, Pensionskasse Rundfunk, Versorgungskasse Radio Bremen) sowie der ZDF-Pensionskasse, um dadurch Synergieeffekte zu erschließen.
Hinzukommen sollen Entlastungen bei der betrieblichen Altersversorgung – immerhin in Höhe von etwa einer Milliarde Euro. Die ARD hatte sich mit ver.di, dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) und der Deutschen Orchestervereinigung im Juni dieses Jahres auf einen Tarifvertrag zur Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung und zur Begrenzung der Rentendynamisierung geeinigt. In Kraft getreten ist der Tarifvertrag bisher nicht, da auch die Deutsche Welle in das Abkommen miteinbezogen werden soll, diese jedoch bislang noch keine Zustimmung signalisiert hat.
Die Einigung würde endlich eine Begrenzung der opulenten Steigerungsraten bei den Betriebsrenten einleiten. Die Pensionen würden nun stets einen Prozentpunkt geringer als die Gehaltssteigerung heraufgesetzt (bei allerdings zumeist sehr komfortablem Niveau). Einschneidender ist, dass für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sendeanstalten nicht mehr das letzte Einkommen vor dem Renteneintritt, sondern der Einkommensverlauf während der Dienstzeit maßgeblich sein wird. Letzteres ist ja nichts ungewöhnliches, werden so doch die meisten gesetzlichen Renten berechnet. Ob diese Maßnahmen, die nun langsam normale Berechnungsverhältnisse anstreben, ausreichen, bleibt fraglich. Zu hoch ist das noch immer in Milliarden-Höhe bestehende strukturelle Defizit in der Finanzierung der bereits in Pension befindlichen ex-Anstaltsinsassen.
Fazit
Neben dem grundlegenden Fragezeichen, ob die aufgerufenen Einsparpotentiale in der Technik wirklich vor allem durch weitere Digitalisierungen in dieser Größenordnung realisiert werden können, stellt sich die Frage, wie es überhaupt weiter geht. Mehrere Ministerpräsidenten hatten bereits signalisiert, dass ihnen die vorgelegten Sparvorschläge bei weitem nicht ausreichen. Folgen in einem nächsten Schritt nun doch Einschnitte im Programm, etwa durch eine weitere Zusammenlegung von Digitalkanälen?
Und: Wie verhält es sich mit der immer wieder aufgerufenen Programmqualität? Wie kann man die sichern oder besser: erhöhen? Welcher Mittel bedarf es dafür? Und wie können die durch Umschichtung aus den Anstalts-Wasserköpfen für eine innovative Programmoffensive „aufwendungsneutral“ (und hier wäre der verhängnisvolle Satz Maul Dreyers vielleicht angebracht) genutzt werden?
OLIVER PASSEK