Zwischen Klopapier und Datenmüll

Schon seit längerem kooperieren die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit globalen Streamingriesen wie Netflix und Amazon im Serienbereich oder bei Lizenzgeschäften. Nun aber hat das ZDF noch „einen Drauf gesetzt“: Ab sofort gibt es kostenpflichtige Exklusivangebote bei „Amazon Prime“.

ZDF-Intendant Thomas Bellut hatte es in einem DPA-Gespräch über Netflix und Co. Anfang des Jahres schon mehr als angedeutet: „Wir sind …grundsätzlich offen für Kooperationen.“ Und diese Art von Kooperationen, nicht nur vom ZDF, sondern auch von der ARD, sind an sich nichts Neues. So verbündete sich die ARD schon vor einiger Zeit mit SKY, um die 40 Millionen Euro teure Produktion „Babylon Berlin“ zu stemmen. Obwohl die aufwendige Verfilmung neben happigen Gebührenmitteln hohe Summen aus verschiedenen Töpfen der Filmförderung bekam, ist der Preis für diese Zusammenarbeit für ARD und Steuerzahler_in groß: Denn die ARD darf trotz Mitfinanzierung aus der Hauhaltsabgabe die Serie erst mit einem Jahr Verspätung ausstrahlen. Weniger spektakulär bislang die Bilanz in Mainz: Das ZDF koproduziert mit Netflix im Serienbereich („Das Parfüm“) und strahlt Netflix-Produktionen auf dem KIKA oder auch auf ZDF-Neo aus.

Grundsätzlich ist die Strategie von ARD und ZDF, ihre Inhalte auf allen gängigen Verbreitungswegen zur Verfügung zu stellen, vollkommen okay. Auch ist es in Ordnung, wenn unabhängige Produzenten Rechte halten, Filme oder Serien nach einer kostenfreien Mediathekenphase auch kostenpflichtig anzubieten. So wie bei „Kudamm 56“. Die Serie ist aktuell gegen Entgelt u.a. bei Amazon-VOD, iTunes, Netflix und Google Play verfügbar.

Komplizierter wird es im Falle von Amazons Premiumangebot, PRIME. „Prime“ ist für viele Kunden mittlerweile der entscheidende Grund, den Onlineriesen als Bezugsquelle Nummer eins für Artikel aller Art zu nutzen. Denn scheinbar ohne jegliche Auflagen oder Kartellgrenzen baut Amazon sein „Prime-Angebot“ tatkräftig aus, vor allem mit eigenen Filmen und Serien, aber auch mit einem Portfolio an exklusiven Fernsehangeboten oder Sportrechten. Die „Prime-Mitgliedschaft“ kostet momentan rund 70 Euro im Jahresabo; für Studierende gibt es sogar ein äußerst lukratives Studenten-Abo, das noch wesentlich günstiger ist.

Doch warum rüstet Amazon seine E-Commerce-Plattform dermaßen mit Entertainment-Inhalten auf? Nun, nicht mal die Strategen des Versandhändlers selbst machen einen Hehl daraus: Sie wollen so mehr Artikel verkaufen – WC-Papier, Babywindeln oder Türklemmen. Egal was, Hauptsache, der Profit stimmt.

Mittlerweile sind – teilweise gegen Aufpreis – in der PRIME-Mitgliedschaft so viele Vorteile enthalten, dass die folgende Aufzählung alles andere als vollständig sein kann:

–       Tausende von Serien und Filmen On-Demand, darunter auch „Amazon-Originals“

–       Eine Musikflatrate

–       Zahlreiche kostenfreie Games und Apps

–       Eine E-Book-Flatrate

–       Unbegrenzt Fotos in der Amazon-Cloud

–       Die Fußballbundesliga als Audiostream oder über den Eurosport-Player

–       Lebensmittel vor die Tür in einigen Metropolen

–       Versandkostenfreier Versand

–       Spezielle Preisaktionen und Rabatte

–       Lieferungen am selben Tag oder sogar in wenigen Stunden

–       Ein eigenes Fernsehangebot mit zahlreichen Sendern, u.a. von Discovery Channel und dem ZDF („Amazon Channels“)

Die Funktionsweise von „Amazon Channels“ ist schnell beschrieben: Anstatt ausschließlich auf eigene und fremde On-Demand-Inhalte zu setzen, positioniert sich Amazon über sein kostenpflichtiges „Prime-Paket“ auch als neue Fernsehplattform. Neben zahlreichen Doku-Kanälen, wie dem „Discovery-Channel“, gibt es u.a. mit Robert Redford´s „Sundance“ den vermutlich besten Arthouse-Channel weltweit, sowie Nischenangebote im Horror- oder Sportbereich. Zu letzterem zählt der „Eurosport-Player“, über den man gegen einen Aufpreis auch Spiele der Fußball-Bundesliga verfolgen kann.

Das ZDF ist in diesem Sammelsurium mit seinen für rund 3 Euro im Monat über Amazon-Channels dazu buchbaren Sendern „ZDF-Krimi“ (mit „Derrick“ und Co.) sowie „ZDF-Herzblut“ (u.a. „Das Traumschiff“) natürlich nur eine winzige Note am Rande, aber das macht die Sache gerade so schlimm: Für ein paar Euro mehr ordnet sich das ZDF freiwillig in diese Kommerzlandschaft irgendwo zwischen WC-Papier, Datensammelei und Robert Redford ein.

Gerade für die momentan laufenden Verhandlungen von ARD und ZDF mit den Bundesländern zur Strukturoptimierung und Einsparpotentialen hat sich das ZDF – das sich in diesem Verfahren doch eigentlich so vorbildlich gegen Programmeingriffe wehrt – mit dem „Amazon-Deal“ einen „Bärendienst“ erwiesen.

Genauso wie viele andere, eigentlich publizistisch wichtige Angebote, werden scheinbar auch die Öffentlich-Rechtlichen im Dickicht der Giganten vom Schlage Amazons verschwinden. Der Anfang ist gemacht…